Leserbriefe

Dienstag, 31. Januar 2006

"Unwiderlegbare Beweise" für CIA-Gefängnisse liegen nicht vor

Das nenne ich journalistisch unredlich:
Statt den wohl derzeit größten politischen Skandal zu recherchieren, nämlich auf den Inhalt des letzten Satzes dieses Miniartikels * einzugehen mit dem Inhalt – ich wiederhole: es sei gesichert, dass "US-Agenten zahlreiche Häftlinge von europäischen Staaten aus (ob mit Duldung, Wissen oder sogar Unterstützung, das bleibt noch offen, oder es wäre aufzuklären!) in Drittländergebracht hätten, in denen sie gefoltert wurden, betonte der Ermittler" - also statt dessen drucken Sie eine fette Überschrift als Erfolgsmeldung, dass "unwiderlegbare Beweise" für CIA-Gefängnisse eben nicht vorlägen.
Wenn sie nicht vorliegen, heißt es ja nicht, dass es sie nicht gibt. Wie auch umgekehrt viele Meldungen Ihres Blattes einer kritischen Überprüfung nicht standhalten dürften.

Mit Wut im Bauch
HM

*Aus der Berliner Morgenpost vom 25. Januar 2006
http://morgenpost.berlin1.de/ausgabe/2006/01/25/politik/806359.html

Dienstag, 17. Januar 2006

Weltmeister lohnt nicht, Teil II

Ich bekam folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr M.,

es gibt im Journalismus ein ungeschriebenes Gesetz: Mache dich nie über die Namen anderer Leute lustig. Ich werde das - im Gegensatz zu Ihnen - weiterhin befolgen, obwohl mir sowohl zu Ihrem Vor- als auch zu Ihrem Nachnamen eine Menge einfallen würde.

Im übrigen sehe ich die Globalisierung - wie Sie offenbar auch - durchaus kritisch an den Punkten, die den unterschiedlichen Nutzen dieser Entwicklung für das Kapital einerseits und die Arbeitnehmer andererseits betreffen.

Dies wird in meinem Kommentar hoffentlich deutlich. Allerdings muss man auch daran denken, dass es in Deutschland ein vergleichsweise hohes Lohnniveau gibt. Daran festzuhalten fällt schwer, wenn es hundert Kilometer weiter östlich Löhne gibt, die weit unter den unseren liegen. Die Folgen dieses Wettbewerbs mag man beklagen, jeder spürt sie - aber das ist nun mal die
Realität. Und weder Gewerkschaften noch Politiker werden daran in absehbarer Zeit etwas ändern können. Es sei denn, aus irgendeinem Grund bräche ein neues Zeitalter des Protektionismus an, aber das wünschen sich sicher die wenigsten.

Hochachtungsvoll
C.B.



Die ich meinerseits folgend beantwortete:

Sehr geehrter Herr B.,

selbstverständlich wollte ich mich nicht über einen mir unbekannten Namen lustig machen - entschuldigen Sie, falls das falsch angekommen ist. "Lustig machen" wollte ich mich allerdings über Ihre Überschrift, und ich hoffe, Sie kriegen deswegen von Frau G. noch Ihr Fett ab.

Andere "ungeschriebene Gesetze" im Journalismus - ich erbitte eine
möglichst vollständige Aufstellung - sollten aber sein, daß man u.a. sich über den Gegenstand eines Kommentars etwas mehr Gedanken macht, als bloß die gängigen Parolen von zu hohen Löhnen, zu hohen Lohnnebenkosten, zu niedrigen Gewinnen = zu wenig Investitionen nachzubeten.
Mir scheint, daß die Lobby der Metallindustrie in Gestalt der INSM
(Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) hier sehr geschickt und auch erfolgreich gearbeitet hat, indem sie diese ihre Parolen unter "die Leute"/Schulen/Journalisten bis hin zum "Marienhof" streut, so daß man der Mühe der eigenen Recherche enthoben wird.

Wenn es nämlich nach den Gewinnen und der Entwicklung der Löhne ginge, dann müßte die Wirtschaft, insbesondere "im Osten" des Landes ja nur so brummen, denn dort, wie auch zunehmend " im Westen" werden die KollegInnen durch blanke Erpresung und Nötigung zu Lohnverzicht, zu unbezahlten Überstunden und zum Verzicht auf in Jahrzehnten erkämpfte Rechte gebracht, und trotzdem liegt die Arbeitslosigkeit dort bei 20 und mehr Prozent.
Hier könnte ein engagierter Wirtschaftsredakteur mal zeigen, was er so drauf hat!

Mit freundlichen Grüßen
H.M.

Zur Lektüre empfehle ich: Albrecht Müller: Die Reformlüge, Knaur
Taschenbuch, 2005, 8,95 Euro,
sowie dessen Webseite: www.nachdenkseiten.de

Samstag, 14. Januar 2006

Weltmeister lohnt nicht

Daß Weltmeister doch lohnt - wenn ich Brö(sels?) Babysprache ungestraft übernehmen darf - kann man auf der Seite nachlesen, auf welcher man im Regelfall die "Globalisierung" aus reinem Herzen begrüßt, nämlich auf der Seite 8 - Wirtschaft. Dort steht, daß zwar die deutschen Reallöhne sinken (übrigens sind wir die einzigen Arbeitnehmer im Euroland mit einer derartigen Entwicklung, und wahrscheinlich leben die anderen Nationen noch im Stadium der Unschuld fernab der bösen "G"), daß aber - ich zitiere - die Gewinne von Unternehmern und Kapitalbesitzern um 6,1 % auf 556 Milliarden Euro gestiegen sind.
Kleine Hilfe für Brösel: vielleicht setzt sich nur fort, was unter Rot-Grün in nie dagewesenem Ausmaß geschehen ist, nämlich eine weitere Umverteilung von Unten nach Oben.

Sinkende Einkommen

Weltmeister lohnt nicht

Die Deutschen dürfen sich nicht darüber beklagen, dass ihre Löhne seit Jahren sinken. Zwar stimmt es niemanden froh, dass die Bruttolöhne und -gehälter im vergangenen Jahr erneut um 0,3 Prozent gefallen sind, dass den Leuten beim Einkaufen das Geld fehlt. Doch diese Entwicklung war lange abzusehen: Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Globalisierung enorm an Tempo zugelegt. Mindestens 800 Millionen Menschen zusätzlich bieten seither ihre Arbeitskraft an, oft zu Billiglöhnen. Und neue Technik hat dazu geführt, dass Landesgrenzen immer unbedeutender werden. Außerdem gilt seit 1999 in Europa die Währungsunion – sie hat für zusätzlichen Druck auf die Löhne gesorgt, weil es keinen Wechselkurs mehr gibt, der Wettbewerbsunterschiede zwischen den Staaten ausgleichen könnte. Die Bundesrepublik hat in den internationalen Organisationen, ob EU oder WTO, all diesen Entwicklungen nicht nur zugestimmt. Sie profitiert auch von ihnen wie kein zweites Land. 2006 etwa dürfte Deutschland wieder Exportweltmeister werden. Das Dumme ist nur: Während sich Unternehmer und Kapitalbesitzer über steigende Renditen freuen, müssen die Beschäftigten schon froh sein, wenn ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Auch in diesem Jahr. brö

Der Artikel "Sinkende Einkommen" erschien am 13.01.2006 im Tagesspiegel

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Vom Sieger entfernen...
Wie die EU die imperialen Ambitionen der USA im Irak...
hottehett - 13. Feb, 15:22
Einfalt oder Vielfalt
"Von Pressekonzentration und Selbstgleichschaltung...
hottehett - 31. Jan, 10:34
Was heisst Kapitalismuskritik
Die Abschiedsvorlesung, die Elmar Altvater am 18. Januar...
hottehett - 31. Jan, 10:30
"Unwiderlegbare Beweise"...
Das nenne ich journalistisch unredlich: Statt den wohl...
hottehett - 31. Jan, 10:02
Weltmeister lohnt nicht,...
Ich bekam folgende Antwort: Sehr geehrter Herr M., es...
hottehett - 17. Jan, 18:44

Aktuelle Bücher


Arno Schmidt
Zettels Traum


Landolf Scherzer
Der Grenzgänger


Elmar Altvater
Das Ende des Kapitalismus

Gesehene Filme

Suche

 

Status

Online seit 6709 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 13. Feb, 15:22

Leserbriefe
Nachlesen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren